Rolls-Royce: Ein Hauch von Luxus

Rolls-Royce: Ein Hauch von Luxus
Rolls-Royce: Ein Hauch von Luxus
 
Für die stolzen Briten wurde 1998 ein Albtraum war: Mit Rolls-Royce kam der letzte eigenständige Autohersteller Großbritanniens in ausländische Hände. Es ist schwierig, das legendäre Auto in einer Reihe mit dem VW-Käfer zu sehen, dem wohl erfolgreichsten Produkt des neuen Eigentümers.
 
 Gegründet 1906
 
Die heute zum VW-Konzern, ab Ende 2002 zur BMW AG gehörende Rolls-Royce and Bentley Motor Cars Limited wurde im Jahr 1906 vom Elektroingenieur Frederick Henry Royce (1863—1933) und dem Autohändler Charles Stewart Rolls (1877—1910) unter dem Namen Rolls-Royce Limited gegründet.
 
Zwei Jahre zuvor hatte sich Royce einen eigenen 10-PS-Zweizylinderwagen gebaut, da er mit dem Modell, das er bisher benutzt hatte, nicht mehr zufrieden gewesen war. Der Fahrzeuglieferant Charles Rolls erfuhr von diesem Gefährt, machte eine Probefahrt und war von dem Automobil so begeistert, dass er mit Royce per Handschlag vereinbarte, alle Wagen, die Royce noch herstellen würde, zu verkaufen.
 
Ihre gemeinsame Firma, die Rolls-Royce Limited, brachte dann 1907 einen Silver Ghost mit 40/50 PS heraus, der bald zum besten Auto der Welt gekürt wurde. Im folgenden Jahr erweiterte Rolls-Royce seine Produktion und ging nach Derby. Im Jahr 1910 schaffte Royce dann eine fliegerische Pioniertat: Er überquerte als Erster den Ärmelkanal in beide Richtungen mit einem Flugzeug. Seine Begeisterung für die Fliegerei kostete ihn dann allerdings im selben Jahr das Leben, denn er starb bei einem Flugzeugabsturz.
 
 1911 wird »Emily« kreiert
 
1911 kreierte Rolls-Royce die berühmte Kühlerfigur »Spirit of Ecstasy«, besser bekannt unter ihrem Spitznamen »Emily«. Im Ersten Weltkrieg wurde auf der Basis des 40/50-PS-Modells ab 1914 ein Flugzeug gebaut. Im Jahr 1921 expandierte Rolls-Royce in die USA. In Springfield, Massachusetts, nahm ein Produktionswerk den Betrieb auf. Zehn Jahre später, 1931, übernahm Rolls-Royce die Bentley Company.
 
Dieses Unternehmen war 1919 von Walter Owen Bentley gegründet worden. 1920 brachte Bentley seinen ersten 3-Liter-Bentley heraus. Bentley war im Rennsport sehr erfolgreich und gewann zum Beispiel in Le Mans in den Jahren 1924, 1927, 1928, 1929 und 1930. Im Jahr der Übernahme von Bentley musste Rolls-Royce sein Werk in Massachusetts schließen. Es war ein Opfer der Weltwirtschaftskrise ab 1929 geworden. 1938 erwarb Rolls-Royce das Gelände für ein neues Werk in Crewe, das noch heute der Standort der Rolls-Royce-Produktion ist. Die Produktion wurde aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1948, von Derby nach Crewe verlagert. 1957 entstand in New York die US-amerikanische Rolls-Royce-Tochtergesellschaft. 1959 kaufte Rolls-Royce die Firma Mulliner auf, einen bedeutenden Karosseriebauer mit Sitz in London.
 
 Krise in den 70er-Jahren
 
Anfang der 70er-Jahre stand die berühmte Autofirma dann vor dem endgültigen Aus. Sie wurde 1971 unter Zwangsverwaltung gestellt und in zwei neue Gesellschaften aufgeteilt, in die Rolls-Royce plc für Flugmotoren und die Rolls-Royce Motor Cars Limited für den Bau von Automobilen. 1980 übernahm dann der Vickers-Konzern die Aktienmehrheit der Automobilbaufirma. Im Jahr 1985 wurde der 100 000. Wagen hergestellt, wobei in dieser Zahl alle Rolls-Royce und alle seit 1931 gebauten Bentley enthalten sind. Eine bescheidene Zahl, wenn man an die Millionenauflagen etwa eines VW-Käfer denkt. Der Unterschied zwischen beiden Autos wird aber schnell deutlich, wenn man neben Format und Ausstattung auf die Produktionsweise des Rolls-Royce schaut — und auf seinen Preis.
 
So wurde ein Fließband bei Rolls-Royce erstmals im Jahr 1997 eingeführt. Ansonsten erfolgte die Autoproduktion nur in Handarbeit. Die rund 2 000 dort Beschäftigten sägen die Nussbaumverzierungen und schneiden das Leder für die Sitze zurecht. So liegt die Jahresproduktion bei etwa 1 500 Autos (im ersten Halbjahr 1999 wurden exakt 787 produziert). Diese Produktionsweise — und der legendäre Name — haben auch ihren Preis: Im Durchschnitt kostet ein Sechszylinder-Luxuswagen etwa 750 000 DM.
 
Am 1. Juli 1990 gründeten die BMW AG, München, und die Rolls-Royce plc., London, ein eigenständiges Unternehmen, die BMW Rolls-Royce GmbH. Ende 1999 wurde bekannt, dass BMW seine Anteile an dieser Firma verkaufen wird.
 
 1998: Rolls-Royce kommt in deutsche Hand
 
Bis in die 90er-Jahre blieb die Krise der Traditionsfirma aber ungelöst. So sah sich der Mehrheitseigner Vickers nach einem Käufer für die Automobilsparte um. Am 05. 06. 1998 war es dann so weit: Die Vickers-Aktionäre befürworteten fast einstimmig den Verkauf von Rolls-Royce an VW. Grund für diese Entscheidung war das Angebot, mit dem VW letztendlich seinen deutschen Mitkonkurrenten BMW nach einem jahrelangen Pokerspiel überboten hatte: Es lag rund 250 Mio. DM über dem Angebot, das die Münchener Autobauer abgegeben hatten. Für einen Preis von 1,44 Mrd. DM übernahm dann VW am 03. 07. 1998 die Rolls-Royce Motor Cars Limited. Für den VW Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch war dies allerdings ein Pyrrhussieg. Zum einen war BMW Rolls-Royce durch einen Motorenliefervertrag verbunden, den es jetzt kündigte. Zum anderen hatte BMW die Namensrechte an Rolls-Royce und die Rechte an der Kühlerfigur »Emily« erworben. Deshalb darf VW durch eine Lizenz nur noch bis Ende 2002 über den Namen Rolls-Royce verfügen, dann wird die Marke von BMW weitergeführt.
 
Piëch hoffte, sein Gesicht durch die Ankündigung wahren zu können, sich in Zukunft auf die Nobelmarke Bentley zu konzentrieren. Mit dem Verkauf an VW war auch der letzte noch unabhängige britische Automobilproduzent in ausländische Hand gelangt, eine schlimme Sache für die stolzen Briten. Mit dem ihnen eigenen Humor kam bereits der Vorschlag, in Hinblick auf den neuen Eigentümer die britische Nobelmarke ab sofort »Rollswagen« zu nennen.
 
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| DIE GESCHICHTE DER AUTOFIRMA ROLLS-ROYCE - ZEITTAFEL                      |
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| 1904    | Der Elektroingenieur Frederick Henry Royce (1863-1933) baut                   |
|            | sich einen eigenen 10-PS-Zweizylinderwagen, da er mit seinem                 |
|            | bisherigen Modell nicht mehr zufrieden ist. Der                                         |
|            | Fahrzeuglieferant Charles Stewart Rolls (1877-1910)                                 |
|            | vereinbart nach einer Probefahrt mit Royce per Handschlag,                      |
|            | alle Wagen, die Royce noch herstellen würde, zu verkaufen.                     |
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| 1906    | Gründung der Rolls-Royce Limited                                                           |
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| 1907    | Die Rolls-Royce Limited bringt einen Silver Ghost mit 40/50 PS                 |
|            | heraus.                                                                                                 |
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| 1910    | Charles Royce überquert als Erster den Ärmelkanal in beide                      |
|            | Richtungen mit einem Flugzeug. Im selben Jahr stirbt er bei                      |
|            | einem Flugzeugabsturz.                                                                         |
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| 1911    | Rolls-Royce kreiert die berühmte Kühlerfigur »Spirit of                              |
|            | Ecstasy«, besser bekannt unter ihrem Spitznamen »Emily«.                     |
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| 1914    | Im Ersten Weltkrieg wird das Fahrgestell des                                           |
|            | 40/50-PS-Modells zu einem Flugzeug umgebaut.                                      |
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| 1919    | Gründung der Bentley Company durch Walter Owen Bentley                     |
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| 1920    | Bentley bringt seinen ersten 3-Liter-Bentley heraus.                                  |
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| 1921    | Ein Rolls-Royce-Produktionswerk in Springfield,                                       |
|            | Massachusetts (USA), nimmt den Betrieb auf.                                         |
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| 1931    | Das Rolls-Royce-Werk in Massachusetts muss wegen der                        |
|            | Weltwirtschaftskrise schließen.                                                               |
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| 1938    | Rolls-Royce erwirbt das Gelände für ein neues Werk in Crewe,                  |
|            | das noch heute der Standort der Rolls-Royce-Produktion ist.                     |
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| 1948    | Die Produktion wird von Derby nach Crewe verlagert.                                |
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| 1957    | Gründung der US-amerikanischen                                                           |
|            | Rolls-Royce-Tochtergesellschaft mit Sitz in New York                              |
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| 1959    | Rolls-Royce kauft die Firma Mulliner auf, einen bedeutenden                     |
|            | Karosseriebauer mit Sitz in London.                                                        |
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| 1971    | Anfang der 70er-Jahre steht die berühmte Autofirma vor dem                    |
|            | endgültigen Aus. Sie wird unter Zwangsverwaltung gestellt                        |
|            | und in zwei neue Gesellschaften aufgeteilt, in die                                     |
|            | Rolls-Royce plc für Flugmotoren und die Rolls-Royce Motor                      |
|            | Cars Limited für den Bau von Automobilen.                                              |
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| 1980    | Der Vickers-Konzern übernimmt die Aktienmehrheit der                            |
|            | Automobilbaufirma.                                                                                |
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| 1985    | Der 100 000. Wagen wird hergestellt (in dieser Zahl sind alle                     |
|            | Rolls-Royce und alle seit 1931 gebauten Bentley enthalten).                      |
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| 1997    | Bei Rolls-Royce wird erstmals ein Fließband eingeführt.                            |
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| 1998    | Am 05. 06. befürworten die Vickers-Aktionäre fast einstimmig                   |
|            | den Verkauf von Rolls-Royce an VW. Für einen Preis von 1,44 Mrd.          |
|            | DM übernimmt VW am 03. 07. die Rolls-Royce Motor Cars Limited.           |
|            | Da BMW zuvor die Namensrechte an Rolls-Royce und die Rechte an         |
|            | der Kühlerfigur »Emily« erworben hatte, darf VW durch eine                      |
|            | Lizenz nur noch bis Ende 2002 über den Namen Rolls-Royce                    |
|            | verfügen, dann wird die Marke von BMW weitergeführt.                             |
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Halwart Schrader: Rolls-Royce-Automobile und Bentley ab 1931. München 1988.
 Jonathan Wood: Rolls-Royce. Aus dem Englischen. Sonderausgabe Bindlach 1991.
 Klaus-Josef Roßfeldt: Rolls-Royce und Bentley. Alle Modelle. Geschichte, Fakten, Daten. Lizenzausgabe Königswinter 1993.

Universal-Lexikon. 2012.

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